In den Schuhen des Vaters

Ich liebe es, wie einfallsreich unser himmlischer Vater ist, wenn es darum geht, uns seine Liebe zu zeigen. Ich hab da wieder mal so was Tolles erlebt, was ich euch einfach kurz erzählen möchte.

Eigentlich hat die Story vor über einem Jahr begonnen. Irgendwie schenkt mir Gott in letzter Zeit ständig sehr originell verpackte Liebesbeweise in Form irgendeiner neuen «Fussbekleidung». Im letzten Dezember schenkte mir eine wildfremde Person selbstgestrickte Hüttenpantoffeln, die ich seither ständig trage, wenn ich kalte Füsse habe. Fünf Monate später brauchte ich dringend neue Socken und Gott hat mir einfach welche vor die Füsse gelegt, im wahrsten Sinne des Wortes! Ich fand nämlich auf einem Parkplatz auf einer Autobahnraststätte – ja, du hast richtig gelesen! – , direkt dort, wo ich die Autotür öffnete, ein Paar nigelnagelneuer Socken vor meinen Füssen! Verrückt, was? Du denkst, es könne nicht noch verrückter kommen? Dann hör dir an, was mir vorletzten Sonntag passiert ist…

Ich war in einer reformierten Kirche eingeladen, um zu predigen. Tage zuvor versuchte ich mich vorzubereiten, aber irgendwie kam mir einfach keine Idee. Ich wollte von Demetris Tod erzählen, da Demetri in eben dieser Kirche vor vielen Jahren aufgetreten war und offenbar so wundervoll a capella gesungen hatte, dass sich jeder daran erinnern konnte. Ich wollte davon erzählen, wie Gott mir geholfen hat, den Tod meines geliebten Mannes zu verarbeiten, wie er bei mir gewesen ist und mich getröstet hat in dieser schweren Zeit. Doch ich wollte nicht nur davon erzählen, sondern irgendeine Brücke zu den Menschen schlagen, die mir zuhören würden. Aber wie? Nun, ich werde mich wohl von Gott leiten lassen müssen, dachte ich.

Eine Stunde vor dem Gottesdienst kamen meine Schwester und ich in der Kirche an und wurden vom Pfarrer Jürg von Niederhäusern stürmisch begrüsst. Er ist ein grosser Fan meiner Bücher, und seine Frau sagte mir bei einem Kaffee (in den der Pfarrer vor lauter Aufregung eine Gabel zum Umrühren stellte statt eines Löffelchens), sie hätten manchmal beinahe einen Ehestreit wegen meiner Bücher. Denn wenn er eins am Lesen wäre, könne sie zum Mittagessen rufen so oft sie wolle. Er käme nicht. Und für die Toilette hätte er auch keine Zeit, und für sie auch kaum noch, bis das Buch zu Ende gelesen wäre.

Ich trank den Kaffee, ging noch kurz auf die Toilette – immer noch ohne zündende Idee für meine Predigt – , und als ich wieder rauskam, klackte es die ganze Zeit beim Gehen. Da stellte ich fest, dass sich der Absatz meines rechten Schuhs fast komplett vom Schuh gelöst hatte! Auch das noch! Ich konnte kaum noch laufen, und der Absatz drohte jeden Moment ganz abzufallen. Was nun? Ich ging zum Pfarrer, und wir gingen rüber ins Pfarrhaus, wo er Sekundenkleber hervorholte und versuchte, den Absatz wieder an den Schuh zu kleben. Resultat: Der gute Pfarrer hatte ganz klebrige Finger, und der Absatz hielt noch immer nicht. «Du könntest ja meine Schuhe anziehen!», schlug er spontan vor und schlüpfte prompt aus seinen Schuhen. Das war mir nun gar nicht Recht. Ich kann doch nicht in den Schuhen des Pfarrers auf die Bühne! Seine Frau kam soeben zur Tür herein, und als wir ihr das Problem geschildert hatten, meinte sie, ihrem Mann zugewandt: «Vielleicht passen ihr ja die Schuhe deines Vaters!»

Sie holte ein poliertes Paar Lederschuhe aus dem Schrank und stellte es vor mich hin. «Sein Vater lebt nicht mehr», erklärte sie mir. «Aber irgendwie konnte ich dieses eine Paar Schuhe einfach nicht entsorgen und habe die Schuhe behalten. Zieh sie an und sieh, ob sie dir passen.» Ich schlüpfte hinein. Sie waren ein bisschen zu gross, aber extrem bequem und sahen aus wie neu. «Wunderbar», meinte der Pfarrer begeistert. «Dann gehen wir rüber in die Kirche. Der Gottesdienst startet gleich.» Wir gingen in die Kirche, und die Band spielte das Einstiegslied. Dann trat der Pfarrer auf die Bühne und erzählte von dem kleinen Missgeschick mit den Schuhen. «Und deswegen», so schloss er, «trägt Damaris jetzt also die Schuhe meines Vaters.»

In diesem Moment ging es wie ein Blitz durch meinen Körper. Die Schuhe meines Vaters! Die Gedanken begannen sich wie Rädchen in meinem Kopf zu drehen, als mir mit einem Mal die krasse Bedeutung dieser Worte bewusst wurde: Ich stehe in den Schuhen meines Vaters! Ich stehe in den Schuhen meines himmlischen Vaters! Oh my God! Was für ein unglaublich starkes Bild! Ich wollte ja davon erzählen, wie Gott mich tröstete, als mein Mann Demetri vor viereinhalb Jahren gestorben ist. Wie er immer bei mir war, wenn die Wucht der Trauer mich zu überrollen drohte. Wie er mit mir durch diese dunkle, harte Zeit ging und mich nie allein liess. Und da, praktisch im letzten Moment, bevor ich auf die Bühne trat, zeigte mir Gott anhand der Schuhe, die ich trug, dass er mich nicht nur durch diese unfassbar schwere Zeit begleitet hat sondern jeden einzelnen Schritt mit mir gegangen ist! Weil ich die ganze Zeit in seinen Schuhen stand! In den Schuhen des Vaters! Ja, ich ging durch furchtbare Zeiten, die mir leider nicht erspart blieben, in denen ich oft schier verzweifelte. Aber er ging nicht nur mit mir, ich ging IN IHM da hindurch! In seinen Schuhen! Jeden Schritt, den ich tat, den ich kaum zu tun vermochte, weil mich die Trauer und Verzweiflung und Wut schier zerriss, jeden dieser einzelnen Schritte durfte ich in seinen Schuhen gehen! In seiner Liebe! Ich stand regelrecht darin! Oh, was für ein krasses Bild von Trost und Liebe und Geborgenheit!

Ich war so geflasht von all diesen Gedanken, dass ich mich echt zusammenreissen musste, um nicht zu weinen, bevor ich auf die Bühne trat. Nun, ich hatte meine Predigt. Ich stand im wahrsten Sinne des Wortes IN IHR! Als ich auf die Bühne ging, nahm ich meinen rechten Schuh mit dem kaputten Absatz gleich mit, und ich erzählte den Gottesdienstbesuchern, was gerade passiert war.

«Seht ihr diesen Schuh?», sagte ich. «Manchmal wirft es uns total aus der Bahn, nicht wahr? Alles bricht unter uns zusammen und wir knicken ein und stürzen. Unser Absatz, unser Leben, bricht einfach unter uns weg. Wir versuchen unser Leben vielleicht wieder zusammenzuflicken, so wie der Pfarrer es mit Sekundenleim probierte. Doch es verklebt bloss die Finger und wir können trotzdem keinen Schritt mehr weitergehen. Es geht einfach nicht mehr. Wir können nur noch eines tun: Die Schuhe wechseln. Und genau das habe ich damals getan, als mein Mann gestorben ist. Ich habe meine Schuhe der Trauer und tiefsten Not eingetauscht gegen die Schuhe des Vaters. Und in diesen Schuhen will ich auch heute vorwärtsgehen, mein Leben lang will ich sie nicht mehr ausziehen. In diesen Schuhen bin ich geborgen. In diesen Schuhen bin ich umhüllt von der Liebe des Vaters. Und diese wärmende Liebe ist so stark, dass sie mich ganz ausfüllt, von Fuss bis Kopf.»

Ja, und so predigte ich an diesem Morgen von den Schuhen des Vaters, und es war mit Sicherheit ein Bild, das niemand, der dort war, je wieder vergessen wird. Am Ende des Gottesdienstes haben mir so viele Leute gedankt, einige sogar unter Tränen. Und der Pfarrer hatte so Freude, wie die Schuhe seines Vaters zu einer Predigt geworden waren, dass er mir die Schuhe prompt schenkte! Ja, ihr Lieben, ich möchte euch einfach ermutigen. Egal, was du grad durchmachst, egal, ob du das Gefühl hast, dein Leben bricht grad unter dir weg oder eine Freundschaft, eine Ehe oder ein Job oder die Sicherheit oder was auch immer es ist. Flick den Absatz nicht mit Sekundenkleber – sondern zieh einfach die Schuhe deines Vaters an. Und er wird jeden einzelnen Schritt auf deinem Weg, wie schwer er auch sein mag, mit dir gehen. Du wirst IN IHM stehen und in seiner Liebe vorangehen, durch alle schwierigen Zeiten hindurch. Das ist unser Gott. Das ist unser Jesus, der uns so sehr liebt. Vertrau ihm! Er meint es gut mit dir.

Mit Power & Love

Damaris